In einem japanischen Einkaufszentrum drangsalieren Kinder einen Roboter. Was sagt das über das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine?

Kinder lieben Roboter. Jedenfalls kann sich dieses Eindrucks kaum jemand erwehren, der einmal einer Begegnung zwischen Menschenkind und Maschinenwesen beiwohnen durfte. Und es ist ja auch keine Überraschung, reagieren Kinder doch ähnlich auf an sich unbelebte, aber mit menschlichen Zügen ausgestattete Puppen und Plüschtiere.

 

Bilder der Überwachungskamera zeigen, wie Kinder einem Roboter gegenüber handgreiflich werden. Auch mit der Plasticflasche wird schon einmal zugeschlagen. (Bild: Tatsuya Nomura et al.: "Why Do Children Abuse Robots?") 

Roboter als Mobbing-Opfer

Doch nun trübt eine japanische Studie das Bild vom friedlichen Miteinander kleiner Menschen und den noch etwas unbeholfen agierenden Humanoiden: Forscher der ATR Intelligent Robotics and Communication Laboratories in Kyoto mussten feststellen, dass ein Roboter, der in einem japanischen Einkaufszentrum probeweise seine Dienste als Shopping-Berater anbot, einem regelrechten Mobbing durch Kinder ausgesetzt war : Der jungen Kundschaft machte es offenbar grössten Spass, dem Roboter den Weg zu verstellen und ihn am Weitergehen zu hindern. Dabei blieb es nicht: Oft eskalierte die Situation, und die Kinder begannen den Roboter zu treten, zu schlagen oder mit Plasticflaschen zu bewerfen. Zuweilen seien die Schikanen auch mit verbalen Beschimpfungen einhergegangen, schreiben die Forscher. Dass der Roboter darum bat, ihn endlich durchzulassen, half nichts.

 

 

Wie passt das zu dem von kindlich-naivem Anthropomorphismus geprägten Verhalten, das Buben und Mädchen sonst gleichermassen gegenüber Robotern an den Tag legen?

Grundsätzlich traut die überwiegende Mehrheit der Kinder Robotern durchaus Intelligenz und Gefühle zu. Je jünger die Kinder, desto eindeutiger fällt dieses Ergebnis aus, doch selbst 15-jährige Jugendliche hielten Roboter in der Mehrheit (70 Prozent) für intelligent, 43 Prozent von ihnen glaubten, er habe Gefühle. Das zeigte eine Studie der University of Washington in Seattle . Und als die Moderatoren der amerikanischen «Radiolab»-Show vor einigen Jahren sieben- und achtjährige Kinder aufforderten, einen (heftig dagegen protestierenden) «Furby» kopfüber zu halten , schreckten die Kinder allesamt vor der Aufgabe zurück: Es erscheine ihnen grausam, sagten sie. Sie hätten Angst, den plüschigen, gleichwohl leblosen Spielkameraden zu verletzen – und dies obwohl alle Kinder um Furbys Maschinennatur wussten.

Deshalb befragten die Kyotoer Forscher jene Kinder, die den Roboter im Einkaufszentrum attackiert hatten . 74 Prozent von ihnen beschrieben den Roboter als menschenähnlich, nur 13 Prozent sahen in ihm bloss eine Maschine. Die Hälfte der Kinder glaubte, ihr Verhalten sei für den Roboter mit Stress oder Schmerz oder beidem verbunden gewesen – und trotzdem wurden sie übergriffig. Reine Neugier habe sie dazu getrieben, sagten die Kinder, und dass es ihnen Vergnügen bereitet habe, den Roboter zu ärgern. Ein Teil von ihnen gab an, nur mitgemacht zu haben, was andere Kinder begonnen hätten.

Vor diesem Hintergrund erscheinen die Attacken weniger ungewöhnlich, als sie auf den ersten Blick wirken, wie die Forscher schreiben. Denn laut kinderpsychologischen Studien seien die gleichen Beweggründe im Spiel, wenn Kinder Tiere oder auf dem Schulhof Gleichaltrige drangsalierten. Die Empathie, die solches Verhalten unterbindet, entwickelt sich erst nach und nach im Laufe der Kindheit. Nun müsse man herausfinden, welche Attribute die Empathie kleiner und grosser Menschen weckten, um Roboter, die künftig Aufgaben als Portier, Servierkraft oder Barkeeper übernehmen sollen, vor solchen Übergriffen zu schützen.

 

 

Besser zu den Grossen

Für den Humanoiden im japanischen Einkaufszentrum haben die Forscher des ATR unterdessen eine ziemlich simple Lösung gefunden: Sie programmierten den Roboter darauf, vor unbeaufsichtigten Kindergruppen davonzulaufen und die Nähe von Menschen mit über 1,40 Meter Körpergrösse aufzusuchen. Denn in Anwesenheit Erwachsener, das zeigten die Beobachtungen der Forscher, wagen Kinder nicht, den Roboter zu attackieren. 

Quelle

http://www.nzz.ch/wissenschaft/technik/roboter-als-mobbing-opfer-1.18606975

12.10.2015 | 936 Aufrufe

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