Mobiles Bezahlen könnte den Markt für Finanzdienstleistungen revolutionieren.Mobiles Bezahlen könnte den Markt für Finanzdienstleistungen revolutionieren. (Bild: Imago)

Wird unsere Telefonnummer eine Kontonummer? Werden wir in Zukunft nur noch kontaktlos bezahlen? Die klassischen Bezahlsysteme dürften vor einem Umbruch stehen. Mobile Anwendungen gewinnen an Bedeutung.

Seitdem der US-Technologiekonzern Apple seine Pläne für Apple Pay vorgestellt hat, ist das Thema mobiles Bezahlen in aller Munde. Derzeit bezahlt aber noch kaum jemand seine Einkäufe mit dem Handy, und es hat sich in der Schweiz noch kein Standard für das mobile Bezahlen durchgesetzt. Zahlungen von Person zu Person (P2P) via Smartphone stecken ebenfalls noch in den Kinderschuhen. Hinter den Kulissen wird aber fleissig entwickelt, programmiert und getestet. Am Donnerstagmorgen hat nun die Postfinance-Tochter Twint ein neues Produkt angekündigt. Das Unternehmen will in der zweiten Jahreshälfte 2015 eine integrierte Bezahl- und Einkaufs-App auf den Markt bringen (vgl. Kasten).

Situation in der Schweiz

Laut Andreas Dietrich, Professor an der Hochschule Luzern, ist das mobile Bezahlen einer der Trends, die den Markt für Finanzdienstleistungen revolutionieren könnten. Um nicht den Anschluss im Zahlungsverkehr zu verlieren, arbeiteten Banken fieberhaft daran, den Kunden neue und praktische Lösungen zu präsentieren. Sie stehen dabei in Konkurrenz zu Unternehmen aus diversen Branchen. Neben Kreditkartenfirmen bieten neu auch Telekommunikationsfirmen, Detaillisten, Gerätehersteller und Technologieunternehmen Zahlungsdienstleistungen an.

Zur Entwicklung in der Schweiz nennt Dietrich in einer neuen Studie zum Schweizer Retail-Banking-Markt mehrere Initiativen. So ist der Telekomanbieter Swisscom zusammen mit den Kreditkartenunternehmen Cornèrcard und der Viseca/Aduno-Gruppe auf die Technologie Near Field Communication (NFC) aufgesprungen. Das Projekt wurde im Juli dieses Jahres unter dem Namen Tapit lanciert. Des Weiteren haben die Detaillisten Manor und Jumbo im September 2013 eine Applikation für mobiles Bezahlen auf den Markt gebracht, die mit der jeweiligen Kundenkarte verbunden ist. Die Studie nennt überdies die bereits 2010 lancierte Lösung Powerpay, die in Verkaufsstellen unter anderem von Ex Libris, Media-Markt und Mobilezone verfügbar ist. Dietrich erwähnt auch das Genfer Startup-Unternehmen Mobino, das eine eigene Lösung in diesem Bereich entwickelt hat.

Laut Dietrich haben Umfragen ergeben, dass Konsumenten Technologiefirmen wie Google und Apple sowie unabhängigen Anbietern eher wenig Vertrauen im Bereich mobiler Bezahlung entgegenbringen. Erstaunlicherweise geniessen auch nach den jüngsten Skandalen viele Banken immer noch einen grossen Vertrauensbonus. Im Bankensektor zeigt die Studie der Hochschule Luzern einige Vorreiter auf. Bei der Zürcher Kantonalbank können sich Kunden mit einer App Geld von einem Smartphone auf ein anderes überweisen. Die Credit Suisse und die Neue Aargauer Bank haben eine Lösung für Überweisungen zwischen den Banken im Angebot. Auch die Migros-Bank bietet mobile Überweisungen an.

Schliesslich arbeitet SIX Payment Services an einer unabhängigen Plattform für mobiles Bezahlen. Gemäss Sascha Breite, Leiter der Abteilung Future Payments bei SIX, wurde das Angebot in Kooperation mit ausgewählten Banken entwickelt. Es werde intern bereits getestet und solle im zweiten Quartal 2015 eingeführt werden. Es würde sich dabei um eine P2P-Lösung handeln. In einer ersten Version könne mit der geplanten App von SIX Geld zu anderen Personen gesendet, aber nicht im Laden via NFC-Terminal bezahlt werden.

Blick über den Tellerrand

Die Schweiz als offene Volkswirtschaft ist auch bei Zahlungsdienstleistungen kein abgeschotteter Markt. Internationale Grosskonzerne werden früher oder später versuchen Fuss zu fassen. In den USA hat Apple Pay bereits einen starken Start hingelegt. Laut der Studie der Hochschule Luzern wird Apple Pay seit Oktober 2014 an 220 000 Bezahlstationen in den USA verwendet, darunter sind Ladenketten von Disney, McDonald's, Macy's oder Toys'R'Us. Dies funktioniert über eine Kooperation mit Kreditkartenunternehmen. Um den Dienst zu nutzen, brauchen Kunden ein Apple iPhone 6 mit NFC-Chip oder eine Apple Watch.

Neben Apple planen Google, Facebook, Twitter und seit dieser Woche auch Snapchat Zahlungsdienstleistungen anzubieten. Zudem beginnt Paypal, ein Tochterunternehmen von Ebay, zunehmend in die Offline-Welt vorzudringen. So kann man in Österreich beispielsweise seinen Burger bei McDonald's via Paypal bezahlen. Ein Blick ins Ausland zeigt aber auch, dass nicht immer die globalen Grossunternehmen die Nase vorne haben.

Postfinance-Tochter mit neuem Bezahlmodell

feb. ⋅ Die Postfinance-Tochter Twint will in der zweiten Hälfte 2015 eine Smartphone-App für mobiles Bezahlen und Einkaufen auf den Markt bringen. Konsumenten sollen hiermit in Geschäften, bei Automaten oder im Internet bezahlen und auf Bar- und Plasticgeld verzichten können. Gleichzeitig sind Dienste wie Coupons oder Stempelkarten in die App integriert. Laut Thierry Kneissler, Chef der Postfinance-Tochter Twint, laufen derzeit mit der Coop-Gruppe Gespräche über den Einsatz der App, dasselbe gilt für die Online-Anbieter Digitec und Galaxus. Laut Kneissler kann die Technologie auf allen gängigen iOS- und Android-Betriebssystemen genutzt werden, auch müsse man dazu nicht Postfinance-Kunde sein. Letzteres soll dadurch möglich werden, dass der Kunde Geld auf die elektronische Geldbörse («Wallet») lädt. Dieses wird per Lastschriftverfahren vom Bankkonto des Kunden abgebucht. Der Service soll über die Beacon-Technologie laufen. Dafür muss auf den Geräten der Kunden Bluetooth aktiviert werden. Ein Haken dürfte sein, dass der Handel eine neue Infrastruktur aufbauen muss, um die neue Applikation zu nutzen. Laut Kneissler ist der Vorteil für den Handel aber, dass die Applikation anschliessend deutlich günstiger ist als andere Bezahllösungen. Für die App seien keine Kredit- oder Debitkarten nötig, und diese funktioniere auch unabhängig von Telekommunikationsanbietern. Zu berücksichtigen sei auch, dass sich

19.11.2014 | 20439 Aufrufe

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