Zahlen ohne Bargeld, nur noch per Klick oder Fingerabdruck? Eine Utopie, die von Politik und Banken, aber auch von Konzernen und Startups vorangetrieben wird. Doch die Idee dahinter ist gefährlich. "Wir sind nicht außer uns. Wir toben nicht. Und das zu Unrecht".

Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger (Mitte) in Köln. (Foto: IW Köln / flickr.com, Lizenz: CC-BY)

Stellen wir uns ganz kurz vor, der Wirtschaftsweise Peter Bofinger würde in Entenhausen leben. Vielleicht wäre er eine Ente, vielleicht würde er aussehen wie Primus von Quack,

Primus von Quack bei seinem ersten Auftritt, gemeinsam mit Walt Disney (© Disney)

auf jeden Fall aber würde er die Abschaffung des Bargelds in Entenhausen fordern. Stellen wir uns jetzt vor, was passieren würde, versetzen wir uns in die Lage von Dagobert Duck, der gerade noch ein Bad in seinem Geldspeicher genommen hat und von Quacks – pardon, Bofingers – Plänen hört. Wir wären außer uns, wir würden toben. Und das zu Recht.

Doch auch wenn wir nicht nach Entenhausen blicken und uns Peter Bofinger nicht als Ente vorstellen, auch wenn wir im Hier und Jetzt bleiben, sehen wir: Die Abschaffung des Bargelds wird immer wieder gefordert. Sicherer soll das Zahlen ohne Bargeld werden, einfacher und komfortabler sowieso. Doch wir? Wir sind nicht außer uns. Wir toben nicht. Und das zu Unrecht.

ZDF Peter Hahne - Nur Bares ist Wahres! - Zu den Abschaffungplänen der EU

Nur das Zahlen mit Bargeld löst einen Schmerz aus

Es gibt etliche Studien und Analysen darüber, wie sich bargeldloses Zahlen auf unser Verhalten auswirkt – und es gibt etliche bargeldlose Zahlungsmittel. Bei manchen wie der EC-Karte wird der Betrag zeitnah vom Konto abgebucht, bei Kreditkarten werden die Beträge erst gesammelt und am Monatsende gebündelt in Rechnung gestellt – wofür der Verbraucher ordentlich Zinsen bezahlt, was nur ein Grund dafür ist, warum bargeldloses Zahlen und Privatverschuldung oft in einem Atemzug genannt werden. Bei Anbietern wie PayPal werden Beträge zwar fast in Echtzeit zwischen den virtuellen Konten verrechnet, die Abbuchung vom Bankkonto aber passiert auch hier verzögert – mit Abstand von einigen Tagen.

Wer sich aber selbst beim Einkaufen beobachtet, wird feststellen, dass 100 Euro in bar stärker spürbar sind als 100 Euro, die ich mit EC- oder Kreditkarte zahle. Wissenschaftler haben dieses Phänomen eingehend untersucht und in Studien festgestellt: Bezahlen Probanden in bar, werden genau die Hirnregionen aktiv, in denen auch das Schmerzempfinden sitzt. Zahlen sie mit Karte, bleibt diese Region ruhig.

"The Pain of Paying" nennen Wissenschaftler dieses Phänomen, den Schmerz des Bezahlens. Der physisch vollzogene Akt, das Geld aus der Hand zu geben, sich von ihm zu trennen, wirkt sich auch psychologisch aus. Beim bargeldlosen Zahlen fehlt dieses Gefühl, es fehlt der Schmerz.

The Pain of Paying: The Psychology of Money

Selbst Fingerabdrücke lassen sich längst fälschen

Die neuen Zahlungsmethoden aber gehen noch einen Schritt weiter. Für sie brauche ich nicht mal mehr eine Karte, sondern nur noch mein Smartphone, das einfach eine Funktion mehr bekommt. Oder ich muss die Zahlung nur noch per Klick, per Fingerabdruck oder Herzschlag bestätigen, schon wandert das Geld von mir zum Empfänger. Der Zahlungsvorgang selbst wird dadurch noch stärker entmaterialisiert und von mir entkoppelt – das Gefühl, Geld auszugeben, schwindet noch mehr. Und selbst Fingerabdrücke lassen sich heute fälschen, wie der Chaos-Computer-Club unlängst gezeigt hat.

Ein weiteres Problem – allen Vorteilen und Chancen zum Trotz – hat das Zahlen mit Bitcoins: die Umrechnung. Hatten Bitcoins anfangs überhaupt keinen Wechselkurs, können sie seit 2010 auch in Einheitswährungen umgerechnet werden. Doch wer nach einem Urlaub im Ausland schon mal festgestellt hat, dass er viel mehr Geld ausgegeben hat als er dachte, weil das mit dem Umrechnen so seine Tücken hat, wird merken: Hier lauert eine doppelte Gefahr. Die Zahlung über ein so verwirrendes System in einer Geldeinheit, deren Wechselkurs teils heftigsten Schwankungen unterliegt, kann gar nicht ohne Risiko sein. Und während bei Kreditkarten-Betrug das Geld von den Banken oft erstattet wird, sind Bitcoins, die mir aus meinem Cyberwallet geklaut werden, einfach weg.

Warum Bargeld abgeschafft werden soll

Eine Welt ohne Bargeld liefert den Menschen dem System aus

Solange es Bargeld noch gibt, kann ich es auch bei der Bank abheben. (Foto: Vytautas Kielaitis / Shutterstock.com )

Trotzdem wird in einigen Ländern schon länger darüber diskutiert, das Bargeld abzuschaffen, in Italien und Frankreich sind Barzahlungen über 1.000 Euro schon nicht mehr erlaubt, in Dänemark muss der Einzelhandel ab dem kommenden Jahr keine Münzen und Scheine mehr annehmen. Experten wie der Bundesbank-Chef Jens Weidmann sind skeptisch  – ebenso wie drei von vier Deutschen, die einen solchen Schritt ablehnen würden .

Doch denken wir – neben der Gefahr der stärkeren privaten Verschuldung oder den Sicherheitsrisiken – auch kurz über die ökonomischen Konsequenzen nach, die eine Abschaffung des Bargelds haben würde: Ein vollständiger Verzicht auf dieses Zahlungsmittel würde die Menschen komplett vom Finanzsystem mit seinen Banken abhängig machen – und neuerdings auch von all den Startups und Playern wie Apple, Facebook oder Google. Das Gefühl der Sicherheit, das mit Bargeld und der Möglichkeit, es sich auszahlen zu lassen, verbunden ist, würde verloren gehen. Würde einer der Anbieter in diesem System ins Wanken kommen, gäbe es keine Möglichkeit mehr, seine Reserven abzuheben und „in Sicherheit“ zu bringen – der Transfer zu einem anderen Anbieter wäre das Einzige, das uns bliebe.

Unabhängig von der Frage, was passieren würde, wenn die Technik mal ausfällt: Das Geldsystem wäre privatisiert und der Mensch ihm ausgeliefert. Der Ökonom Daniel Stelter schreibt : „Wir wären vor die Wahl gestellt: Enteignungsrisiko eingehen, das Bargeldverbot missachten und umgehen, das Geld in teure Vermögenswerte stecken oder es gleich ausgeben.“ Letzteres würde die Konjunktur beflügeln, weshalb Banken und Konzerne das Bargeld lieber gestern als heute abschaffen würden. Vor allem aber, betont der Bankenverband , „hätten die Bürger ohne Bargeld keine Möglichkeit, einem negativen Zinssatz auf Einlagen durch das vermehrte Halten von Bargeld auszuweichen“. Um das kurz klar zu machen: Ein negativer Zinssatz hieße nichts anderes, als dass das Geld, das wir alle auf unserem Konto haben, mit der Zeit nicht mehr wird, sondern weniger. Haben wir in einem solchen Szenario kein Bargeld mehr, das wir abheben und dem Einfluss eines Negativzins entziehen können, sind wir die Gelackmeierten.

Dirk Müller zur drohenden Abschaffung von Bargeld

Der Blick ins Portemonnaie: Ein Gefühl der Sicherheit und der Freiheit

Der Verband weist auch noch auf ein weiteres, drängendes Problem hin: den Datenschutz. Ohne die Möglichkeit der Barzahlung würde jeder Einkauf, jede Transaktion – vom Kneipenbesuch über die Brötchen beim Bäcker bis hin zum Shopping-Bummel – elektronisch erfasst. Für die Verfolgung von Kriminellen wäre das ein Vorteil. So argumentiert Bofinger, dass die Märkte für Schwarzarbeit und Drogen ohne Bares ausgetrocknet werden könnten und Geldwäsche oder Steuerhinterziehung deutlich erschwert würden. Das klingt verlockend. Für den Verbraucher aber würde eine Welt ohne Bargeld die Möglichkeit restloser Überwachung bedeuten. Und wo Möglichkeiten bestehen, werden sie irgendwann auch genutzt.

Und so kann ich nachvollziehen, warum Dagobert Duck, der gerade noch ein Bad in seinem Geldspeicher genommen und von Plänen wie der Abschaffung des Bargelds gehört hat, außer sich wäre, warum er toben würde. Wie ihm der Sprung in den Geldspeicher gibt mir der Blick auf das Geld in meinem Portemonnaie ein Gefühl der Sicherheit und der Freiheit. Und das ist mehr wert als ein bisschen Komfort.

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Quelle

Florian Blaschke

http://t3n.de/news/bargeld-abschaffen-schulden-ueberwachung-626909/

 

11.09.2015 | 30374 Aufrufe

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